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kreativ W U N D E R - Constanze Grasmück
Jubiläum-kreativwunder
M E N U
P

 

Creative VIP: Constanze Grasmück

 

VORSTELLUNG:

Die Tochter (Jahrgang 1961) von Jürgen Grasmück, den die meisten besser als DAN SHOCKER kennen, den Erfinder des deutschen Gruselromans, ist selbst Verlegerin des Verlages LiberAles – der Verlag mit der Grasmücke.

Als ausgebildete Medienkauffrau Digital und Print mit langjähriger Verlagserfahrung verwirklicht sie die verlegerische Aufgabe nach dem Motto: "Was mich selbst bewegt und mitreißt, wird verlegt". Sie ist Mutter von drei (inzwischen erwachsenen) Söhnen, hat von ihrem Vater die Passion fürs Buch vererbt bekommen und plaudert hier über ihn und ihr eigenes Leben…

 

I N T E R V I E W

 

 

Fragen von Rolf Mahler: RM Frage: 

     kreativwunder:  

 

Wie war Ihr Vater als Opa – was sagen Ihre Söhne zu dessen Kreativität?

  Grundsätzlich kann ich über ihn sagen, dass er ein liebevoller Mensch war, der gerne - seinen Möglichkeiten entsprechend – gegeben hat. Sei es in materieller Form durch Geschenke (er machte gerne Überraschungen) oder auch, indem er seine Werte und seine Begeisterung für geistige Dinge weitergab.

Er liebte es (besonders mit der Sprache) zu scherzen. Ich erinnere mich zum Beispiel an eine Situation als Erstklässler, als ich während einer kleinen Diskussion mit ihm (ich habe vergessen, worum es ging) laut behauptete: „Im Gegenteil“! Er lachte mich an und korrigierte mit Witz: „das heißt nicht ‚im Gegenteil’ – sondern: ‚im Geigentiel’!“ Es dauerte etwa einen halben Tag, bis ich bereit war, ihm das nach einem ewigen Schlagabtausch endlich zu glauben. Er hat sich köstlich amüsiert, ehe er das Ganze wieder richtigstellte.

Er besaß viel Humor. Das Gleiche hat er dann auch mit seinen Enkeln getan - und da war er mit seinem Wortwitz nicht verlegen. Als mein Erster etwa drei Jahre alt war und immerhin schon den Unterschied von „groß“ und „klein“ wusste – und zwar nach seinem kindlichen Verständnis: „groß“ = viel und gut; „klein“ = wenig und daher nicht gut, kamen wir eines Morgens in den Buchladen, den meine Eltern in Hanau betrieben haben. Mein Vater begrüßte seinen Enkel liebevoll und schalkhaft mit den Worten (Hessen geben sich gerne mal derb): „Na, du kleiner Scheißer?!“, kam prompt die empörte Reaktion des Dreikäsehochs: „Bin kein kleiner Scheißer, bin großer Scheißer!“

Humorvolle Ergüsse gab es zuhauf. Seine Kreativität war wirklich beachtenswert – als Kind kam er mir oft vor wie ein Zauberer, der sein Publikum immer wieder damit überraschte, dass er plötzlich irgendetwas Unvermutetes (bezogen auf das alltägliche Geschehen) „aus dem Hut“ zauberte. Was meine Söhne zu seiner Kreativität sagen, kann ich schlecht beantworten – ich bin die Tochter. Zwei von ihnen waren bereit, sich dazu zu äußern und sollen nun selbst zu Wort kommen:

J. : Ich habe Jürgen immer als sehr reflektiert und organisiert erlebt. Was ihm durch seine mangelnde körperliche Kraft verwehrt wurde, hatte er mit seinem geistigen Vermögen wettgemacht. Er konnte sich gut auf mich und meine Brüder einlassen. Ich erinnere mich noch gerne an Fahrten zur Bücherstube, in denen wir gemeinsam Lieder gedichtet haben. Manchmal spürte ich bei ihm einen tieferen Ernst, den er uns aber nie direkt gezeigt hat. Mir – und auch meinen Brüdern – ist er als starker Charakter in Erinnerung geblieben, der uns gerne Opa war.

K. : Diese Frage hat mich als Enkel lange beschäftigt. Erst dachte ich, nicht viel darüber berichten zu können. Doch je mehr ich in meinen Erinnerungen und Gefühlen zu diesem Mann forsche, desto deutlicher erscheint mir seine Präsenz und Wirkung. Es gibt sicher vieles über ihn und seine Kreativität zu berichten, wie das Dichten von Liedern, das Spielen mit Wörtern oder das Verfassen von Geschichten. Aber für mich als Enkel sind auch andere Bereiche seiner Kreativität prägend und maßgebend.

Nach meiner Wahrnehmung entsprang seine Kreativität unter anderem auch einer inneren Angst. Er hat diese mit seinem Charme wieder wettgemacht. Da er sich den Fesseln seines Rollstuhls nicht entledigen konnte, schien mir seine Kreativität beinahe die einzige Möglichkeit zu sein, sich zu behaupten und Situationen zu meistern, in denen andere vielleicht einfach aufgegeben oder auf andere Art und Weise gekämpft hätten. Damit schuf die Kreativität meines Großvaters auch eine besondere Art des familiären Zusammenlebens, die bis heute in mir nachwirkt.

 

Was glauben Sie, wo war Ihr Vater am erfolgreichsten?

  Er hatte nebst seiner Vorliebe für Literatur viele Interessen. Wenn es nach ihm gegangen wäre, hätte er die Welt bereist und wäre ein Weltenbummler oder Abenteurer geworden (Indiana Jones hätte blass neben ihm ausgesehen…). Das blieb ihm aufgrund seiner körperlichen Behinderung – er war seit seinem 14. Lebensjahr an den Rollstuhl gefesselt – versagt. Da er die Abenteuer also selber nicht „einholen“ konnte, musste er sie (aus sich) „herausstellen“. (Zur Freude derer, die dann später lesend daran teilhaben konnten.)

Ich denke, er wäre ein sehr agiler und aktiver Mensch gewesen, hätte auch liebend gerne Handwerkliches gemacht und hat es bedauert, nicht mal aufstehen und einen Nagel in die Wand klopfen und ein Bild aufhängen zu können. In seinen früheren Jahren bastelte und bemalte er mit Begeisterung Modelle (Flugzeuge). Seine irreversible und progressive Muskelkrankheit hat ihm nach und nach seine Bewegungsfähigkeit genommen. Für all das, was er realisiert haben wollte, war er auf die Hände und Füße eines anderen angewiesen. Diesen Part hat meine Mutter übernommen.

Letzten Endes war mein Vater mit seiner schier unendlichen Fantasie und der Fähigkeit, spannend zu erzählen mit seiner Schriftstellerei am erfolgreichsten. Interessanterweise hat er dann – nachdem die Serien 1986 eingestellt wurden - in seinem Leben die vollständige „Rundreise“ um Buchs tatsächlich geschafft: er war zuerst Autor, dann Buchhändler und Verleger.

 

Haben Sie alle Publikationen von ihm gelesen und welche gefielen Ihnen am besten?

  Na klar – ich habe alles verschlungen, wie ich so zwischen 14 und 20 war. So spannend seine Gruselromane, so fantastisch seine Fantasie-Serie Macabros auch war - den größten Eindruck haben mir zu dieser Zeit die früheren SF-Romane hinterlassen. Geprägt von den (wunderbaren) SF-Filmen der 50er und frühen 60er Jahre war das „Futter“ für meinen Geist; gerade weil es Bereiche berührte, wo alles möglich schien.

 

Wie hatte sich die Arbeit Ihres Vaters auf Ihre Kindheit ausgewirkt, im Positiven als auch Negativen?

  Nun, er hat in mir die Liebe zum Buch und zur Literatur geweckt. Das Positive: Ich konnte mit allen Fragen kommen und er hat (fast immer) eine Antwort gefunden. Er besaß neben seiner unglaublich hohen Sensibilität von nahezu seismographischer Genauigkeit (ich glaube, er konnte sogar das Gras wachsen hören) und einem großen Einfühlungsvermögen einen wachen und hellen Verstand. Bei dieser Kombination entging ihm nichts – und niemand konnte ihm was vormachen. Sein Verstand arbeitete mit der Präzision eines Computers…

Die andere Seite dazu bestand in der großen Diskrepanz zu seiner körperlichen Handlungsunfähigkeit – voll bewusst und klar hatte er das alles wahrzunehmen, zu erleben und den langsamen, progressiven Verlauf seiner Krankheit ergeben hinnehmen müssen. Besonders als junger Mann gab es da innerlich viel zu leiden und zu kämpfen; was hat er nicht alles versucht, wieder gesund zu werden und gehen zu können! Leidenschaft (für den Traumberuf des Schriftstellers) hin oder her - nichts anderes tun zu können, als „nur“ zu schreiben, wollte schlussendlich auch akzeptiert werden.

Dann gab es in den frühen 60er Jahren keine staatliche Unterstützung, kaum soziale Hilfe für Personen wie ihn, sodass er mit seinem Schreiben einfach überleben und seine kleine Familie ernähren musste. Bevor er erfolgreich wurde, bedeutete jedes zurückkommende Manuskript einen Rückschlag, der existenzbedrohend war! Damit war er trotz seines Einfühlungsvermögens sehr mit sich und seiner Lebenssituation beschäftigt.

 

Würde es Sie reizen, eine Biographie über ihn zu schreiben?

  Ja – das würde mich enorm reizen. Die Frage, die sich mir stellt ist, ob ich dieser großen Aufgabe überhaupt gewachsen wäre. Immerhin bin ich in die ganze Geschichte involviert…

 

Ist Ihr Beruf als Verlegerin sozusagen zwangsläufig oder hätten Sie auch ganz was anderes machen können, was mit dem Schreiben nichts zu tun hat?

  Nö – da ist nix zwangsläufig, obwohl das „Ding mit dem Buch“ mein Erbe ist. Mein erst erlernter Beruf war immerhin Hauswirtschaft und ich war (und bin es noch) ziemlich pragmatisch unterwegs.

Erst sehr viel später habe ich meine Leidenschaft zum Buch durch die Ausbildung zur Verlagskauffrau (seit 2006 nun die Bezeichnung „Medienkauffrau Digital und Print“) auf eine solide Grundlage gestellt und später mit meinem Mikroverlag und den wenigen Publikationen einen bescheidenen Beitrag geleistet.

 

Eigentlich sieht es aktuell für gedruckte Bücher trotz Kindle und Co, noch relativ gut aus – was ist Ihre Meinung als Verlegerin?

  Die Bewegungen auf dem Buchmarkt finde ich schwierig einzuschätzen. Das ist fast wie an der Börse… Trotz scheinbar guter Prognose sind E-Books schon eine große Konkurrenz zum Printprodukt. Die hohen Auflagen, die „früher“ gerne gefahren wurden, kann sich ein kleiner Verlag nicht mehr leisten. Einerseits scheint im elektronischen Zeitalter das gedruckte Buch anachronistisch zu kommen.

Das (Daten)volumen von 500 Romanen (und noch viel mehr) nicht mehr in einer Bücherkiste, sondern auf einem wenigen Gramm schweren „Welchem – auch – immer - Reader“ mit sich herumzutragen ist natürlich bombastisch. Andererseits empfinde ich die Haptik von Papier, gebunden in einem Buch, mit nichts zu vergleichen.

Ich zähle mich zu der langsam aussterbenden Spezies der sogenannten „Bücherwürmer“, für die Bücher gute Freunde bedeuten; eine Art von Lebensbegleiter, die, nach dem Lesen, gesammelt in einem (oder auch mehreren) Bücherregal(en) dem Raum zusätzlich eine warme Atmosphäre verleihen, die ich nicht missen möchte. Vom nostalgischen Empfinden und dem Nutzen, offline alles (sofort) zur Verfügung zu haben, ganz abgesehen.

 

Glauben Sie an ein Leben nach dem Tod?

  Offen und ehrlich: Ja! Wenn ich mir das alles um mich herum betrachte – vom „intelligenten“ Dasein aus der Mikrowelt eines Virus‘ bis hin zur genialen Struktur und Ordnung des Makro Kosmos‘, kann ich nur davon ausgehen, dass hinter diesem sehr durchdachten Konzept ein schöpferischer Geist steckt, dem wir das zu verdanken haben.

Dann davon auszugehen, dass nach einigen Jahrzehnten „Schluss mit Lustig“ und alles „futsch“ ist, erscheint mir geradezu als ein Affront gegen diesen Schöpfergeist und führt unser (temporäres) Dasein im Grunde ad absurdum. Ich denke, das materielle Hiersein ist die eine Form der Existenz – das Weiterbestehen dessen, was mich Mensch ausmacht, wenn ich meinen Körper hier verlasse (also sterbe), bedeutet für mich eine andere Form der Weiterexistenz.

Davon bin ich überzeugt – wie immer sich das „drüben“ auf der anderen Seite auch gestalten mag. Da werde ich mich – wie jeder von uns – einfach überraschen lassen müssen… Und sollte es doch anders sein und ich mich irren – nun, dann werde ich mich halt geirrt haben.

Oder, wie war das mit den beiden befreundeten Mönchen, die einander versprochen haben, wenn einer zuerst stirbt, dem anderen mitzuteilen, wie es sich dann drüben verhält? Sie haben verabredet zu sagen „Totaliter“ – wenn es genauso ist, wie sie es sich vorgestellt haben, oder „aliter“, wenn es ganz anders als ihre Vorstellung ist. Als der einer der Mönche stirbt, erscheint er seinem Mitbruder im Traum und vermeldet: „Totaliter aliter!“

 

Was für ein Buch haben Sie zuletzt mit Begeisterung vollständig gelesen?

  Walter Moers Roman „Der Schreckensmeister“. Ein wunderbares Buch und voll von Wortschöpfungen und Spielerei mit der deutschen Sprache. Sollte – wie sein Erfinder der Geschichte, Gottfried Keller, zur Pflichtlektüre im Deutschunterricht werden (Ich räume ein, ein heimlicher Walter Moers Fan zu sein…).

 

Was wollen oder haben Sie Ihren Kindern vermittelt, was Ihnen besonders wichtig ist?

  Da hat das gedruckte Wort einen hohen Stellenwert. Die Liebe zum Buch und zum Lesen habe ich weitergegeben. Es war schön, ihnen vorzulesen, als sie noch klein waren. Bücher sind ihnen trotz digitalen Zeitalters immer noch gute Begleiter geblieben.

Ansonsten bin ich von christlichen Wertvorstellungen und Inhalten überzeugt. Diese habe ich versucht vorzuleben und an meine Kinder weiterzugeben. Alleinerziehend mit drei kleinen Kindern war das im alltäglichen Geschehen keine leichte Aufgabe. Ich denke, ich habe ihnen vorwiegend Alltagsbewältigungsstrategien vermittelt. In der turbulenten Zeit der Pubertät bin ich oft an meine Grenzen gekommen. Wir haben es alle durchgestanden – und die Söhne sind jetzt erwachsen und leben ein eigenständiges Leben.

Auch ich habe mich in den letzten zwanzig, dreißig Jahren entwickelt, bin an den Herausforderungen gewachsen. Heute halte ich eine gesunde Selbstliebe, also eine gute Beziehung zu sich selbst für das Wesentliche. Damit ist man dann auch in der Lage, wertschätzende Kommunikation und somit gute Beziehungen zu seinen Mitmenschen zu pflegen und ein friedliches Miteinander zu ermöglichen.

 

Wie beurteilen Sie die herrschenden politischen Verhältnisse in Deutschland?

  Sehr problematisch, verfahren und kompliziert. Zwischen den Polen einer künstlichen Zuversichtsparole: „Wir schaffen das!“ bis hin zur Angstmacherei Politik anderer Parteien ist es schwierig, sich in diesem politischen Wirrwarr einen gesunden Standpunkt zu schaffen und zu bewahren. Ich möchte mich weder von der einen Seite einlullen, noch von der anderen Seite einfangen lassen und ein autonomer, mit wachem Verstand selbständig denkender und handelnder Bürger bleiben.



Vielen Dank für das Interview.

 

 

 

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Uwe N. schrieb am 8.2.2020 - 16:37
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